Eilbeschluss des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz v. 15.08.2005: Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen eine Nutzungsuntersagung - eine negative MPU vor Erteilung einer tschechischen FE steht der Anerkennung nicht entgegen Das OVG Koblenz begründet mit der Erwartung, dass ein behördliches Fahrverbot wegen Anwendung deutscher Verwaltungsvorschrift zur MPU für einen ausländischen EU Führerschein ohne MPU nicht Bestand haben wird. Es wendet damit das "Kapper Urteil" des EuGH Urteil vom 29.04.2004, C-476/01 auf verwaltungsbehördliche Fahrerlaubnisentziehung an. Erläuternd sei hinzugefügt: Für die Erteilung oder Versagung jeder EU Fahrerlaubnis ist das Recht des Erteilungslandes maßgeblich. Nur Deutschland kennt die MPU; und sie kann nur bei einer deutschen Fahrerlaubnis angeordnet werden. Das OVG Rheinland-Pfalz Koblenz NZV 2005, 605 ff. (Beschl. v. 15.08.2005 - 7 B 11021/05.OVG) hat die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen eine sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung einer tschechischen Fahrerlaubnis ohne MPU unter Berufung auf das Kapper-Urteil des EuGH vom 29.04.2004 wiederhergestellt, obwohl vor deren Erteilung der Betroffene nach einem negativen MPU Ergebnis auf die deutsche Fahrerlaubnis verzichtet hatte. WICHTIGER HINWEIS: Die lokale Kopie wird unter Haftungsausschluß bereitgestellt. Bei vorangegangener verwaltungsbehördlicher Entziehung der Fahrerlaubnis bietet § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV ? mangels Anordnung einer Sperrfrist ? wegen des europarechtlichen Anwendungsvorrangs des Anerkennungsprinzips des Art. 1 Abs. 2 der RL EWG 91/439 keine Handhabe, einer nachträglich erteilten EU-Fahrerlaubnis die Berechtigungswirkung abzusprechen (Anwendung der sog. ?Kapper-Rechtsprechung? des EuGH ? Urteil vom 29.04.2004, C-476/01 ? auf verwaltungsbehördliche Fahrerlaubnisentziehung Gründe Mit seinem dagegen unter dem 28. Juni 2005 eingelegten Widerspruch hat der Antragsteller die Europarechtswidrigkeit der Fahrerlaubnisentziehung geltend gemacht und in diesem Zusammenhang insbesondere auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 29. April 2004 (Fall Kapper) hingewiesen. Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 14. Juli 2005 den Eilantrag abgelehnt. Es ist zwar im Hinblick auf die umstrittenen europarechtlichen Fragen von einer offenen Rechtslage ausgegangen, hat indessen auf der Grundlage einer an der Gefährdungsprognose orientierten Interessenabwägung den öffentlichen Verkehrsinteressen an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung den Vorzug eingeräumt. II. Unbenommen bleibt nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie die Einschränkung, Aussetzung, der Entzug oder die Aufhebung der Fahrerlaubnis vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialprinzips auf der Grundlage der innerstaatlichen Vorschriften, d.h. mit anderen Worten, dass der Anerkennungsstaat seine Bestimmungen wie § 46 der Fahrerlaubnisverordnung nach der Erteilung des ausländischen Führerscheins auf im Inland aufgetretene Sachverhalte anwenden kann. Demgegenüber hat die aufgezeigte enge Auslegung des Art. 8 Abs. 4 besondere Bedeutung bei der Anwendung der Nichtanerkennung aus Umständen, die vor dem Zeitpunkt der Erteilung der ausländischen Fahrerlaubnis liegen. Der größeren Gefährdung des Anerkennungsgrundsatzes durch diese Ausnahme trägt im übrigen auch die Verfahrensregelung des Art. 10 der Richtlinie Rechnung, wonach die Mitgliedsstaaten nur nach Zustimmung der Kommission die erforderlichen Anpassungen ihrer innerstaatlichen Vorschriften im Hinblick auf die Anwendung u.a. von Art. 8 Abs. 4 vornehmen können. Insoweit liegt die Gefahr auf der Hand, dass die Anerkennungsstaaten im Grunde entgegen dem Anerkennungsprinzip die Fähigkeit des Ausstellungsstaates in Zweifel ziehen, ein ordnungsgemäßes Verwaltungsverfahren im Hinblick auf die Erteilung der Fahrerlaubnis durchzuführen. Dabei ist grundsätzlich zu berücksichtigen, dass die Harmonisierung der Fahrerlaubnisbestimmungen in der Richtlinie den in der Fahrerlaubnisverordnung enthaltenen Bereich der in die Persönlichkeitsrechte besonders eingreifenden Untersuchungsmaßnahmen nicht vollständig erfasst (vgl. Otte-Kühner, NZV 2004, 321, 327, die im übrigen darauf hinweisen, dass entsprechende Ergänzungen auch nicht im Entwurf der 3. EU-Fahrerlaubnisrichtlinie (Kom. 2003, 621) enthalten sind). Insofern kann etwa nicht erwartet werden, dass in allen Fällen des Verdachts des Missbrauchs von etwa Alkohol oder Drogen über die in der Richtlinie als Mindeststandards festgesetzten Gesundheitsprüfungen hinaus ein der deutschen MPU-Untersuchung entsprechendes Instrumentarium Anwendung findet. Dies nimmt das mit der Richtlinie verfolgte Anerkennungsprinzip offensichtlich in Kauf, so dass die Staaten im Einzelnen nicht berechtigt sind, ihren nationalen Bestimmungen zur Durchsetzung zu verhelfen. In der Sache selbst nimmt die Rechtsprechung des EUGH die Ausnahme vom Anerkennungsprinzip offenkundig in Kauf, sofern die strafrechtliche und ordnungsrechtliche Sanktion einer Verkehrsvorschrift mit einer angemessenen ? in der zeitlichen Ausdehnung nicht unverhältnismäßigen ? Sperrfrist versehen ist. Ist die Sperrfrist abgelaufen, kann der Anerkennungsstaat die Erteilung des EU-Führerscheins durch den Ausstellungsstaat (auch für das Inland) nicht in Frage stellen. Der Fall der verwaltungsbehördlichen Entziehung aufgrund festgestellter Eignungsmängel vor dem Zeitpunkt der Erteilung des EU-Führerscheins kann grundsätzlich im Hinblick auf die Nichtbeachtlichkeit der im Inland auf der Grundlage der FeV zu beachtenden Verfahrensbestimmungen aus der Sicht des Europarechts nicht anders behandelt werden. Die Entziehung mit Sperrfrist auf strafrechtlicher Grundlage stellt keine mindere Sanktion dar, sondern die Sperre stellt eine zusätzliche Maßnahme zu der auf der Grundlage der Feststellung einer mangelnden Eignung getroffenen Entziehung der Fahrerlaubnis dar. Die Sperre bedeutet keine bloße ?Suspendierung? wie beim Fahrverbot; vielmehr ist nach Ablauf der Sperre das Neuerteilungsverfahren mit sämtlichen gesetzlich angeordneten Verfahrensschritten zu durchlaufen. Trotzdem hat der EuGH nach Ablauf der Sperre die Anerkennung der nachträglich erteilten EU-Fahrerlaubnis verlangt. Im Sinne eines Erst-Recht-Schlusses kann auch in verwaltungsbehördlichen Fällen der Entziehung Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie keine weitergehende Ablehnung der Anerkennung der ausländischen Fahrerlaubnis rechtfertigen ? insbesondere nicht eine solche zeitlich unbegrenzten Ausmaßes. Eine sonst zeitlich nicht begrenzte Verweigerung der Anerkennung hätte aber die Anwendung der Bestimmungen des § 28 Abs. 4 Nr. 3 i.V.m. § 28 Abs. 5 FeV zur Folge, wonach grundsätzlich das Vorliegen der früher im Inland erfolgten Maßnahme der Einziehung oder des Verzichts die Anerkennung verdrängt und es von einem besonderen Zuerkennungsverfahren nach Abs. 5 der Bestimmung ohne weitere zeitliche Limitierung abhängt, ob die Anerkennung wieder Platz greift. Insbesondere bei fortgesetzt negativer medizinisch-psychologischer Beurteilung wäre das Anerkennungsprinzip in zeitlich unbegrenzter Weise verletzt. Ein solches Ergebnis wäre nicht mit dem in der Rechtsprechung des EUGH herausgestellten Zweck der Richtlinie vereinbar, weil verkannt würde, dass die Richtlinie dem Anerkennungsstaat zumutet, das Ergebnis einer Eignungsprüfung beim Verfahren der Erteilung der Fahrerlaubnis im Ausstellungsstaat hinzunehmen. Die entsprechende Kontrolle der allgemeinen Verfahrensrichtigkeit wird notfalls die Kommission im Wege der Staatenklage übernehmen, so dass sich in dieser Hinsicht für die Anerkennungsstaaten keine unzumutbaren Schutzlücken ergeben; gravierende Auffälligkeiten, die ohnehin in rechtsstaatlicher Hinsicht die entscheidenden Merkmale für Eignungsmängel sind, werden dahingehend abgedeckt, dass die Richtlinie die Nichtanerkennung während einer Sperrfrist als verhältnismäßig ansieht. Im übrigen kann ein erneutes Auffälligwerden, d.h. eine Auffälligkeit nach Erteilung der EU-Fahrerlaubnis, zum Anlass genommen werden, die vorgesehenen Maßnahmen nach der Fahrerlaubnisverordnung auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie zu ergreifen mit der Folge, dass der Gebrauch der Fahrerlaubnis im Inland untersagt wird. Der Anlassfall wird allerdings im Sinne der Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Neuerteilung von Fahrerlaubnissen auf der Grundlage sog. ?bedingter Eignung? von einem selbständigen Gewicht für die Eignungszweifel sein müssen, ohne dass bei Vorhandensein eines solch selbständigen Gewichts untersagt wäre, die vorhandene Vorgeschichte erläuternd hinzuzuziehen (vgl. zum Ganzen Senat, Beschluss vom 1. Dezember 1997 ? 7 B 12711/97.OVG -). Ob nach Durchlaufen eines Zustimmungsverfahrens i.S. des Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie etwa auch eine Sperrfrist nach entsprechender verwaltungsrechtlicher Entscheidung europarechtskonform sein könnte, kann dahingestellt bleiben, da § 28 Abs. 4 FeV eine solche Sperrfrist nicht berücksichtigt und ein entsprechendes europarechtliches Konzertierungsverfahren offenkundig nicht vorliegt. Der Umstand, dass der Antragsteller im vorliegenden Verfahren vor Erteilung der EU-Fahrerlaubnis in Tschechien infolge einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer MPU aufgefordert worden war und im Hinblick auf das negative Ergebnis des zunächst erstellten Gutachtens auf die Fahrerlaubnis verzichtet hatte, steht daher der Anerkennung der später erteilten EU-Fahrerlaubnis nicht entgegen. Dies gilt auch für den Sachverhalt, der die vom Beklagten beteiligte ausländische Ausstellungsbehörde wegen angeblicher Verletzung der tschechischen Bestimmungen betreffend die Aushändigung der EU-Fahrerlaubnis zu einer Initiative angeregt hat. Es ist allein Sache der Ausstellungsbehörden, Maßnahmen in Bezug etwa auf die Rücknahme, Entziehung oder Nichtigerklärung der ausgestellten Fahrerlaubnis zu treffen, die gegebenenfalls im Wege der internationalen Amtshilfe durchgesetzt werden. Im vorliegenden Verfahren können diese Umstände keine Berücksichtigung finden. Bei diesem Ausgangspunkt hat die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung auf der Grundlage vermeintlicher Gefahren für den Straßenverkehr keinen Bestand; vielmehr bleibt es aufgrund der erkennbaren Rechtslage bei einer Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers, weiter von der EU-Fahrerlaubnis Gebrauch machen zu können; erst ein nachträgliches Auffälligwerden gibt der Behörde Gelegenheit zu einem Einschreiten auf der Grundlage des Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie. |